Welche Formen der Fatigue gibt es?
Fatigue – ein Begriff, der oft mit „Erschöpfung“ oder „Müdigkeit“ übersetzt wird – beschreibt weit mehr als nur das Bedürfnis nach einer Pause. Für viele Betroffene bedeutet Fatigue ein tiefgreifender Zustand körperlicher, geistiger und emotionaler Erschöpfung, der mit Ruhe kaum zu lindern ist. Doch Fatigue ist nicht gleich Fatigue. In der Medizin unterscheidet man verschiedene Formen – je nach Ursache, Ausprägung und betroffenen Lebensbereichen. In diesem Artikel erfährst du, welche Fatigue-Formen es gibt und was sie kennzeichnet.
1. Physische Fatigue
Die physische oder körperliche Fatigue äußert sich in einem ausgeprägten Mangel an körperlicher Energie und Kraft. Tätigkeiten wie Treppensteigen, Spazierengehen oder Einkaufen können sich plötzlich anfühlen, als hätte man einen Marathon absolviert. Diese Form tritt häufig bei chronischen Erkrankungen wie:
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Multiple Sklerose (MS)
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Krebs (v. a. unter oder nach Chemotherapie)
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Herzinsuffizienz
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chronischen Infektionen oder nach schweren Virusinfekten (z. B. COVID-19)
auf und kann den Alltag stark beeinträchtigen.
2. Mentale oder kognitive Fatigue
Hierbei steht eine geistige Erschöpfbarkeit im Vordergrund. Betroffene berichten, dass sie sich nur schwer konzentrieren können, schnell geistig überfordert sind und sich nach kurzer Zeit „wie benebelt“ fühlen. Häufige Begleitsymptome sind:
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Konzentrationsprobleme („Brain Fog“)
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verlangsamtes Denken
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verminderte Merkfähigkeit
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schnelle geistige Erschöpfung nach Lesen, Gesprächen oder Bildschirmarbeit
Diese Form der Fatigue ist oft bei neurologischen Erkrankungen (z. B. MS, Parkinson, Schlaganfall), Long COVID oder chronischer Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) zu beobachten.
3. Emotionale oder psychische Fatigue
Diese Form betrifft vor allem das emotionale Erleben und kann mit Gefühlen wie Überforderung, innerer Leere oder Reizbarkeit einhergehen. Viele Betroffene empfinden:
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reduzierte Motivation
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ein Gefühl emotionaler Abstumpfung
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verminderte Belastbarkeit gegenüber Stress
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sozialen Rückzug
Emotionale Fatigue kann Teil einer Depression sein, tritt aber auch bei Dauerstress, Burn-out oder chronischer Krankheit auf – selbst ohne klassische depressive Symptomatik.
4. Zentrale Fatigue
Zentrale Fatigue ist ein Begriff aus der Neurologie und beschreibt eine Form der Erschöpfung, die durch eine gestörte Signalverarbeitung im Gehirn entsteht. Besonders häufig tritt sie bei:
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Multipler Sklerose
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Parkinson
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Schädel-Hirn-Trauma
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Neuroinflammatorischen Erkrankungen
auf. Charakteristisch ist, dass sie nicht proportional zur Belastung ist – selbst bei geringer Anstrengung kann eine ausgeprägte Erschöpfung auftreten. Sie ist schwer zu objektivieren, aber für die Betroffenen oft sehr belastend.
5. Periphere Fatigue
Im Gegensatz zur zentralen Fatigue ist die periphere Fatigue muskulär bedingt. Sie entsteht z. B. durch gestörte Reizweiterleitung oder eine verminderte Energieproduktion in der Muskulatur. Typisch bei:
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Muskelerkrankungen
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neuromuskulären Erkrankungen (z. B. Myasthenia gravis)
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Mitochondriopathien
Hier ist die Erschöpfung vor allem körperlich spürbar, mit nachlassender Muskelkraft und Kraftlosigkeit bei Belastung.
6. Chronische Fatigue (z. B. ME/CFS)
Das Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) ist eine schwerwiegende Form der chronischen Fatigue, bei der alle genannten Komponenten gleichzeitig betroffen sein können. Typisch ist eine Post-Exertional Malaise (PEM) – eine Zustandsverschlechterung nach minimaler körperlicher oder geistiger Anstrengung, die oft erst verzögert eintritt. ME/CFS gilt als eigenständiges Krankheitsbild und ist häufig nach Virusinfektionen wie Epstein-Barr oder SARS-CoV-2 zu beobachten.
Fazit: Fatigue ist nicht gleich Fatigue
Fatigue ist ein vielschichtiges Symptom, das sich körperlich, geistig und emotional äußern kann. Die Unterscheidung der verschiedenen Formen hilft nicht nur dabei, die eigene Erschöpfung besser zu verstehen, sondern auch passende Bewältigungsstrategien zu finden – von gezieltem Energiemanagement über medizinische Behandlung bis hin zu psychologischer Unterstützung.
Wenn du oder jemand in deinem Umfeld unter anhaltender Erschöpfung leidet, ist es wichtig, die Ursachen ärztlich abklären zu lassen – denn Fatigue ist ernst zu nehmen, aber behandelbar.
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