Der Einfluss des Klimawandels auf die psychische Gesundheit

Der Einfluss des Klimawandels auf die psychische Gesundheit

Ein wachsendes Risiko für Menschen und Gesellschaft


Der Klimawandel betrifft längst nicht mehr nur Ökosysteme, Wirtschaft und Infrastruktur – er hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf unsere psychische Gesundheit. Aktuelle Erkenntnisse aus Forschung, Versorgung und Leitlinien zeigen, dass psychische Erkrankungen durch direkte und indirekte Folgen des Klimawandels zunehmen können. Auf neurowissen.com beleuchten wir, wie sich der Klimawandel auf die Psyche auswirkt, wer besonders gefährdet ist und welche Strategien helfen, die psychische Gesundheit zu schützen.


1. Psychische Belastungen durch den Klimawandel: Ein Überblick

In den letzten Jahrzehnten hat sich das globale Klima in einem nie dagewesenen Tempo verändert. Steigende Durchschnittstemperaturen, zunehmende Extremwetterereignisse und der Verlust natürlicher Lebensräume wirken sich nicht nur auf die körperliche Gesundheit, sondern auch auf die Psyche aus.

Die psychischen Folgen lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen:

  • Direkte Auswirkungen: z. B. Panikstörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) nach Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Hitzewellen.

  • Indirekte Auswirkungen: z. B. Depressionen, Angststörungen oder Substanzmissbrauch durch wirtschaftliche Unsicherheit, Migration, Verlust sozialer Bindungen oder Umweltveränderungen.


2. Naturkatastrophen und ihre Spuren auf der Seele

Extreme Wetterereignisse wie Hochwasser, Dürren oder Waldbrände nehmen zu – mit erheblichen Folgen für die psychische Gesundheit. Menschen, die Naturkatastrophen erleben, berichten häufig von Angstzuständen, Schlafstörungen, Flashbacks, Reizbarkeit und sozialem Rückzug.

Ein eindrückliches Beispiel ist die Kasuistik eines Landwirts, der nach mehrfachen Überschwemmungen Panikattacken und soziale Isolation entwickelte. Erst durch eine multimodale Therapie – bestehend aus Verhaltenstherapie, Exposition, Entspannungstechniken und Gruppengesprächen – konnte er seine Lebensqualität zurückgewinnen.


3. Ökologische Trauer und Eco-Anxiety

Zunehmend wird auch über Eco-Anxiety berichtet – eine Form von Zukunftsangst angesichts der ökologischen Bedrohungen. Besonders junge Menschen fühlen sich angesichts der Klimakrise ohnmächtig, ängstlich und belastet. In Studien äußerten über 50 % der befragten Jugendlichen große Sorgen über den Klimawandel; bei vielen beeinträchtigte dies den Alltag erheblich.

Ein verwandtes Konzept ist die Solastalgie – Trauer über den Verlust vertrauter Natur- und Lebensräume, etwa bei indigenen Gemeinschaften.


4. Wer ist besonders betroffen?

Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) und der European Psychiatric Association (EPA) gibt es besonders vulnerable Gruppen:

  • Kinder und Jugendliche: erhöhte Anfälligkeit für emotionale Störungen und Angst.

  • Ältere Menschen: beeinträchtigte Thermoregulation und höhere Belastung durch Hitze.

  • Sozial benachteiligte Menschen: eingeschränkter Zugang zur Gesundheitsversorgung, höhere Exposition.

  • Indigene Gemeinschaften: Verlust kultureller Identität durch Umweltveränderungen.

  • Menschen mit bestehenden psychischen Erkrankungen: Gefahr der Symptomverschlechterung.


5. Was sagt die Wissenschaft?

Ein systematischer Umbrella-Review von 32 Metaanalysen zeigte: Bereits ein Anstieg der Temperatur um 1 °C kann die suizidale Mortalität, psychiatrische Notaufnahmen und das Auftreten psychischer Störungen signifikant erhöhen. Auch Luftverschmutzung wird mit einer erhöhten Demenzinzidenz in Verbindung gebracht.


6. Strategien für Resilienz und Prävention

Die AWMF und die Fachgesellschaften empfehlen einen ganzheitlichen, interdisziplinären Ansatz, um psychischen Belastungen durch den Klimawandel vorzubeugen. Dazu gehören:

  • Klinische Maßnahmen: frühzeitige psychotherapeutische und psychosoziale Interventionen.

  • Stärkung psychosozialer Resilienz: Programme zur Stressbewältigung, Empowerment, Selbsthilfegruppen.

  • Naturbasierte Angebote: Förderung des Zugangs zu Grünflächen zur Unterstützung der mentalen Regeneration.

  • Gemeinschaftsprojekte: z. B. Klimagärten oder Bildungsinitiativen als Mittel gegen Ohnmacht und Isolation.


Fazit: Klimaschutz ist auch Gesundheitsschutz

Der Klimawandel ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine psychosoziale Herausforderung. Psychische Gesundheit darf in der Klimadebatte nicht länger ein Randthema sein. Prävention, frühzeitige Intervention und strukturelle Resilienzförderung müssen fester Bestandteil zukünftiger Gesundheits- und Umweltpolitik werden – und zwar evidenzbasiert und sozial gerecht.


Literaturverzeichnis

  1. Brandt L, Hasan A. Klimawandel und psychische Gesundheit. InFo Neurologie & Psychiatrie. 2025;27(3):32–37.

  2. Heinz A et al. Klimawandel und psychische Gesundheit. Positionspapier der DGPPN. Nervenarzt. 2023;94:225–33.

  3. Brandt L et al. Climate change and mental health: Position paper of the European Psychiatric Association. Eur Psychiatry. 2024;67:e41.

  4. Radua J et al. Impact of air pollution and climate change on mental health outcomes: an umbrella review. World Psychiatry. 2024;23:244–56.

  5. Hickman C et al. Climate anxiety in children and young people: a global survey. Lancet Planet Health. 2021;5:e863–73.

  6. Xue S et al. Mental health and psychosocial interventions in the context of climate change. npj Ment Health Res. 2024;3:10.


Weitere Informationen und Hilfe
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