Patient-Reported Outcome Measures (PROM) in der Neurologie

Patient-Reported Outcome Measures (PROM) in der Neurologie: Die Stimme der Patient:innen im Mittelpunkt

In der modernen Neurologie gewinnt die subjektive Perspektive der Patient:innen zunehmend an Bedeutung. Patient-Reported Outcome Measures (PROM) stellen ein wichtiges Instrument dar, um diese Perspektive systematisch zu erfassen – und so Therapieentscheidungen, Versorgungsqualität und Forschung zu verbessern. Doch was sind PROM genau, wie werden sie eingesetzt und was sagen die Leitlinien der AWMF dazu?

Was sind PROM?

Patient-Reported Outcome Measures (PROM) sind standardisierte Fragebögen, mit denen Patient:innen selbst Auskunft über ihren Gesundheitszustand, ihre Symptome, ihre Lebensqualität und ihre Funktionsfähigkeit geben – ohne Interpretation durch medizinisches Fachpersonal.

Diese Angaben umfassen unter anderem:

  • Schmerzintensität

  • Fatigue

  • Stimmungslage (z. B. Depression, Angst)

  • Kognitive Einschränkungen

  • Mobilität und Selbstständigkeit

  • Lebensqualität und Teilhabe

PROMs liefern damit eine wertvolle Ergänzung zu objektiven medizinischen Befunden, etwa aus Bildgebung oder klinischer Untersuchung.

Bedeutung in der Neurologie

Die Neurologie ist ein Fachgebiet mit zahlreichen chronischen und subjektiv belastenden Krankheitsbildern – wie Multiple Sklerose, Parkinson, Epilepsie, Migräne oder chronische Schmerzen. Viele Symptome (z. B. Fatigue, Schwindel, Schmerzen, depressive Verstimmungen) lassen sich nur schwer objektivieren. PROM bieten hier eine Möglichkeit, die tatsächliche Krankheitslast aus Sicht der Patient:innen abzubilden.

Vorteile von PROM in der neurologischen Versorgung:

  • Patientenzentrierung: Die Lebensrealität der Betroffenen rückt in den Fokus.

  • Versorgungssteuerung: PROM können helfen, den Verlauf und Therapieerfolg besser zu beurteilen.

  • Früherkennung: Veränderungen in PROM können frühe Hinweise auf Verschlechterungen liefern.

  • Qualitätsmessung: PROM werden zunehmend als Qualitätsindikator in der Versorgung betrachtet.

  • Forschung und Studien: PROM sind essenzieller Bestandteil klinischer Studien, insbesondere bei chronischen Erkrankungen.

PROM in den AWMF-Leitlinien

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat die Relevanz von PROM in mehreren Leitlinien hervorgehoben. Speziell in neurologischen Leitlinien zeigt sich ein wachsender Trend zur Integration Patienten-berichteter Endpunkte.

Einige zentrale Punkte aus den AWMF-Leitlinien:

  • Multiple Sklerose (AWMF-Nr. 030-050): Hier wird explizit die Verwendung von PROM empfohlen, etwa zur Erfassung von Fatigue, Depression und Lebensqualität.

  • Parkinson (AWMF-Nr. 030-135): Die Erfassung nicht-motorischer Symptome und subjektiver Krankheitslast mittels PROM (z. B. PDQ-39) wird betont.

  • Chronischer Schmerz (AWMF-Nr. 053-001): PROM sind integraler Bestandteil der Diagnostik und Therapiebewertung (z. B. PainDETECT, PHQ-9).

  • Schlaganfall-Nachsorge (z. B. S3-Leitlinie AWMF-Nr. 020-076): Auch hier werden PROM zur funktionellen Einschätzung und Bewertung der Lebensqualität empfohlen.


Fazit der AWMF:
PROMs sind kein „Nice-to-have“, sondern ein evidenzbasiertes Instrument, um neurologische Versorgung zu verbessern.

Beispiele für häufig verwendete PROM in der Neurologie

PROM-Instrument Anwendungsbereich
EQ-5D Allgemeine Lebensqualität
SF-36 / SF-12 Gesundheitsbezogene Lebensqualität
PDQ-39 / PDQ-8 Lebensqualität bei Parkinson
MSIS-29 Lebensqualität bei MS
Fatigue Severity Scale (FSS) Fatigue bei verschiedenen Erkrankungen
PHQ-9 / GAD-7 Depressive Symptome und Angststörungen
Neuro-QoL Verschiedene neurologische Krankheitsbilder
PROMIS Breites Spektrum an Symptombereichen

Integration in die klinische Praxis

Trotz ihrer Bedeutung ist der flächendeckende Einsatz von PROM in der neurologischen Praxis noch ausbaufähig. Digitale Lösungen (Apps, Tablets, Online-Formulare) können die Integration erleichtern. Gleichzeitig braucht es:

  • Schulungen für medizinisches Personal

  • Standardisierung der Anwendung

  • Klare Prozesse für die Auswertung und Interpretation

PROM dürfen nicht als reine Dokumentationsaufgabe verstanden werden, sondern als echte Chance zur Verbesserung der individuellen Versorgung.

Fazit

Patient-Reported Outcome Measures (PROM) machen die subjektive Sichtweise der Patient:innen messbar und sichtbar. In der Neurologie, wo viele Symptome schwer objektivierbar sind, eröffnen PROM neue Möglichkeiten der Diagnostik, Therapieplanung und Evaluation. Die AWMF-Leitlinien betonen ihre Relevanz in zahlreichen Indikationen. Es ist Zeit, die Stimme der Patient:innen konsequent in die Versorgung zu integrieren – für eine moderne, partizipative und effektive Neurologie.


Literaturverzeichnis

  1. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Leitlinie Multiple Sklerose (AWMF-Nr. 030-050). Verfügbar unter: https://www.awmf.org/leitlinien

  2. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Leitlinie Morbus Parkinson (AWMF-Nr. 030-135). Verfügbar unter: https://www.awmf.org/leitlinien

  3. Deutsche Schmerzgesellschaft e.V., S3-Leitlinie Behandlung chronischer Schmerzen (AWMF-Nr. 053-001). Verfügbar unter: https://www.awmf.org/leitlinien

  4. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), S3-Leitlinie Sekundärprävention ischämischer Schlaganfall (AWMF-Nr. 020-076). Verfügbar unter: https://www.awmf.org/leitlinien

  5. Valderas JM et al. (2008): Patient reported outcome measures: a model-based classification system for research and clinical practice. Qual Life Res. 17(9):1125–1135.

  6. Black N. (2013): Patient reported outcome measures could help transform healthcare. BMJ 346:f167.

 


Weitere Informationen und Hilfe
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