Was ist eine Hemianopsie?

Was ist eine Hemianopsie?

Wenn das Gesichtsfeld halbseitig ausfällt – Ursachen, Symptome und was das Gehirn damit zu tun hat

Eine plötzliche Einschränkung des Sehens kann viele Ursachen haben. Wenn Betroffene plötzlich nur noch eine Hälfte ihres Gesichtsfeldes wahrnehmen – also etwa rechts oder links nichts mehr sehen können – spricht man von einer Hemianopsie. Doch was genau steckt hinter diesem Begriff? Wie entsteht eine Hemianopsie, wie bemerkt man sie, und was hat unser Gehirn damit zu tun?

Definition: Was bedeutet Hemianopsie?

Der Begriff „Hemianopsie“ (auch: Hemianopie) stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich „Halbseitenblindheit“:

  • Hemi = halb

  • Anopsie = Sehstörung / Blindheit

Bei einer Hemianopsie ist eine Hälfte des Gesichtsfeldes beider Augen betroffen – entweder rechts oder links. Dabei sind die Augen selbst in der Regel völlig gesund. Die Ursache liegt nicht im Auge, sondern im Gehirn.

Wie sehen Betroffene mit einer Hemianopsie?

Menschen mit Hemianopsie berichten, dass sie z. B. beim Lesen Wörter auf einer Seite „verlieren“ oder dass sie im Alltag gegen Gegenstände stoßen, die sich in der betroffenen Gesichtsfeldhälfte befinden. Dabei ist die Sicht nicht verschwommen – sie fehlt schlichtweg auf einer Seite. Dennoch bemerken viele die Veränderung nicht sofort, da das Gehirn erstaunlich gut kompensieren kann – zumindest kurzfristig.

Ursachen: Wie entsteht eine Hemianopsie?

Die Hemianopsie ist ein neuro­logisches Symptom und tritt auf, wenn bestimmte Areale im Gehirn beschädigt werden – insbesondere im Bereich der Sehbahn oder des visuellen Kortex. Typische Ursachen sind:

  • Schlaganfall (häufigste Ursache)

  • Traumatische Hirnverletzungen

  • Hirntumoren

  • Multiple Sklerose

  • Entzündungen im Gehirn (z. B. Enzephalitis)

  • Chirurgische Eingriffe oder Komplikationen nach Operationen

Der Weg des Sehens: Warum liegt die Ursache im Gehirn?

Das Sehen ist ein hochkomplexer Prozess, der weit über das Auge hinausgeht. Die Informationen, die wir mit den Augen aufnehmen, werden über den Sehnerv an die sogenannten Sehrinden (visuelle Kortexareale) im Hinterhauptslappen des Gehirns weitergeleitet. Dort werden sie verarbeitet und interpretiert.

Entlang dieser Sehbahn gibt es mehrere Stellen, an denen Schädigungen zu Gesichtsfeldausfällen führen können. Besonders typisch bei einer Hemianopsie ist eine Schädigung hinter der Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum) – also in der Region, wo die Informationen beider Augen zusammengeführt werden.

Formen der Hemianopsie

Je nach Ort der Schädigung unterscheidet man verschiedene Formen:

  • Homonyme Hemianopsie: Die gleiche Gesichtsfeldhälfte beider Augen fällt aus (z. B. rechts bei beiden Augen) – häufig bei Schlaganfall.

  • Heteronyme Hemianopsie: Unterschiedliche Gesichtsfeldhälften sind betroffen (z. B. außen oder innen) – eher selten.

  • Quadranten-Anopsie: Nur ein Viertel des Gesichtsfeldes ist betroffen (z. B. oben rechts).

Symptome und Alltagseinschränkungen

  • Orientierungslosigkeit

  • Stolpern über Gegenstände

  • Probleme beim Lesen oder Autofahren

  • Schwierigkeiten beim Erkennen von Gesichtern oder Bewegungen auf der betroffenen Seite

  • Unsicherheit im Straßenverkehr

Diagnose

Die Diagnose wird durch eine neurologische und augenärztliche Untersuchung gestellt. Hilfreich sind dabei:

  • Gesichtsfelduntersuchungen (Perimetrie)

  • MRT oder CT des Gehirns zur Ursachensuche

  • Neurologische Tests zur Feststellung von Begleitsymptomen

Behandlung und Rehabilitation

Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Bei einem Schlaganfall steht die Akuttherapie im Vordergrund. Danach geht es um Rehabilitation und Kompensation, z. B.:

  • Visuelle Rehabilitation: Training zur besseren Orientierung

  • Kompensationsstrategien: Kopf- und Augenbewegungen gezielt einsetzen

  • Spezielle Sehhilfen (z. B. Prismenbrillen)

  • Neuropsychologisches Training zur Förderung der Aufmerksamkeit

In einigen Fällen können sich Teile des Gesichtsfeldes im Laufe der Zeit wieder verbessern – vor allem bei konsequenter Rehabilitation.


Fazit

Eine Hemianopsie ist keine reine Augenerkrankung, sondern ein neuro­logisches Symptom, das auf eine Schädigung im Gehirn zurückgeht. Sie kann für Betroffene gravierende Auswirkungen im Alltag haben – umso wichtiger sind eine frühzeitige Diagnose und gezielte Rehabilitationsmaßnahmen. Neurowissenschaftlich betrachtet zeigt die Hemianopsie eindrucksvoll, wie sehr das Sehen ein Produkt unseres Gehirns ist.


Tipp: Wenn Sie oder jemand in Ihrem Umfeld plötzlich Einschränkungen des Sehens bemerkt, zögern Sie nicht, ärztlichen Rat einzuholen – insbesondere bei Verdacht auf einen Schlaganfall.

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