Das Manchester Triage System (MTS) – Strukturierte Ersteinschätzung in der Notaufnahme

Das Manchester Triage System (MTS) – Strukturierte Ersteinschätzung in der Notaufnahme

In der modernen Notfallmedizin ist eine schnelle und zuverlässige Ersteinschätzung von Patientinnen und Patienten entscheidend, um lebensbedrohliche Zustände frühzeitig zu erkennen und Ressourcen zielgerichtet einzusetzen. Das Manchester Triage System (MTS) hat sich in vielen Notaufnahmen als bewährtes Instrument zur Priorisierung etabliert. In Deutschland wird es unter anderem durch die AWMF-Leitlinie „Ersteinschätzung in Notaufnahmen“ (AWMF-Registernummer: 051-073) unterstützt und empfohlen.

Was ist das Manchester Triage System (MTS)?

Das Manchester Triage System ist ein standardisiertes Verfahren zur Ersteinschätzung von Patienten, das ursprünglich im Vereinigten Königreich entwickelt wurde. Es dient dazu, in einem strukturierten Prozess die Dringlichkeit medizinischer Behandlungen zu ermitteln – unabhängig von der tatsächlichen Diagnose.

Das Ziel: Patientensicherheit durch schnelle Einschätzung der Behandlungspriorität.

Die Grundprinzipien des MTS

Das MTS beruht auf einem Algorithmus-basierten Entscheidungsbaum, der sich auf die präsentierten Symptome und Beschwerden des Patienten stützt. Dabei werden sogenannte „Presenting Complaints“ (aktuelle Beschwerden) in 52 Kategorien unterteilt, beispielsweise:

  • Brustschmerz

  • Atemnot

  • Bewusstlosigkeit

  • Kopfschmerzen

  • Schwäche oder Lähmung

Für jede Beschwerdekategorie gibt es vordefinierte „Diskriminatoren“ (Ausschluss- oder Entscheidungsmerkmale), die nach ihrer klinischen Relevanz geordnet sind. Anhand dieser wird die Dringlichkeitsstufe festgelegt.

Die fünf Dringlichkeitsstufen des MTS

Das MTS kategorisiert Patienten in fünf Behandlungsdringlichkeiten, die durch Farbkennungen und empfohlene maximale Wartezeiten dargestellt werden:

Kategorie Farbe Behandlungsbeginn Beispielhafte Zustände
Sofort Rot 0 Minuten Reanimation, akute Atemnot
Sehr dringend Orange ≤ 10 Minuten Brustschmerz, neurologische Ausfälle
Dringend Gelb ≤ 30 Minuten Schmerzen, Fieber bei Kindern
Normal Grün ≤ 90 Minuten kleinere Wunden, leichte Infekte
Nicht dringend Blau ≤ 120 Minuten leichte Beschwerden, Kontrolluntersuchungen

Diese Einteilung orientiert sich nicht an der Diagnose, sondern an der vermuteten Behandlungsdringlichkeit, basierend auf den Symptomen.

Bedeutung des MTS in der klinischen Praxis

Das MTS trägt wesentlich dazu bei, die Versorgungsqualität in Notaufnahmen zu verbessern. Durch die strukturierte Ersteinschätzung werden:

  • kritisch Kranke frühzeitig erkannt,

  • Wartezeiten besser gesteuert,

  • Ressourcen effizienter eingesetzt,

  • und medizinisches Personal entlastet.

In der AWMF-Leitlinie zur Ersteinschätzung wird das MTS als eines der validierten Systeme ausdrücklich empfohlen. Es weist eine gute Interrater-Reliabilität und hohe Akzeptanz im klinischen Alltag auf.

Grenzen und Herausforderungen

Trotz seiner Vorteile ist das MTS kein perfektes Instrument. Kritisch diskutiert werden unter anderem:

  • Die Notwendigkeit erfahrener und gut geschulter Pflegekräfte,

  • Die Gefahr einer Unter- oder Überschätzung, insbesondere bei atypischen Symptomen,

  • Die Tatsache, dass das MTS keine Diagnostik ersetzt, sondern lediglich eine Priorisierung vornimmt.

Die AWMF-Leitlinie betont, dass das MTS als Teil eines ganzheitlichen Ersteinschätzungsprozesses zu verstehen ist, der durch klinisches Wissen, Schulung und laufende Evaluation ergänzt werden muss.

MTS und neurologische Beschwerden

Gerade in der Neurologie hat das MTS große Bedeutung. Symptome wie akute Lähmungen, Sprachstörungen, plötzliche Verwirrtheit oder Bewusstlosigkeit werden in der Regel als hoch dringlich (orange oder rot) klassifiziert – was lebensrettend sein kann, z. B. bei Schlaganfällen oder epileptischen Anfällen.

Fazit

Das Manchester Triage System ist ein unverzichtbares Werkzeug in der modernen Notfallmedizin. Es sorgt für Sicherheit, Struktur und Transparenz in der Ersteinschätzung von Notfallpatienten. Bei richtiger Anwendung kann es die Patientenversorgung entscheidend verbessern – auch und gerade bei neurologischen Symptomen, die eine schnelle Reaktion erfordern.


Literaturverzeichnis

  1. AWMF (2020). S1-Leitlinie 051-073: Ersteinschätzung in Notaufnahmen. https://www.awmf.org

  2. Mackway-Jones K, Marsden J, Windle J (Hrsg.). Emergency Triage: Manchester Triage Group. 3. Auflage. Wiley-Blackwell; 2014.

  3. S. A. Lörcher, M. Zils, C. Fleischmann-Struzek et al. (2019): Validierung von Triage-Systemen in der Notaufnahme. In: Notfall + Rettungsmedizin 22, S. 217–225.

  4. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): Nationale VersorgungsLeitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz, Langfassung, 2. Auflage, Version 1. 2017.


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