Was ist Hirntod‑Diagnostik?
Der Hirntod (irreversibler Hirnfunktionsausfall) bezeichnet das irreversible Erlöschen aller Hirnfunktionen – Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm – trotz weiterhin vorhandener Kreislaufaktivität und maschineller Beatmung.
Die Hirntod‑Diagnostik ist ein streng strukturiertes, mehrstufiges Verfahren, um medizinisch zweifelsfrei festzustellen, dass dieser Zustand eintreten ist. Sie gilt als eine der sichersten Todesfeststellungen in der Medizin.
Drei Säulen der Diagnostik
Nach den AWMF‑Retrieva‑ und BÄK‑Richtlinien sowie DGN‑Empfehlungen folgt die Diagnostik einem festen Schema:
1. Voraussetzungen klären
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Akute schwere Hirnschädigung, etwa durch feststellbares Schädel-Hirn-Trauma oder Hirnblutung. CTO oder MRT können zur Abklärung eingesetzt werden.
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Ausschluss reversibler Ursachen wie Hypothermie, Intoxikation oder Kreislaufstillstand.
2. Klinische Zeichen prüfen
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Koma, völliger Bewusstseinsverlust.
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Fehlen der Hirnstammreflexe (z. B. lichtstarre Pupillen, kein Husten-, Lidschluss- oder Schluckreflex).
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Apnoe-Test: Nach Ausschalten der Beatmung wird überprüft, ob keine Spontanatmung einsetzt.
Nach einer Wartezeit erfolgt eine zweite Untersuchung, um die Stabilität der Befunde zu zeigen. Die Intervalle hängen vom Alter und der Läsions-Lokalisation ab (beispielsweise ≥ 12 h bei Erwachsenen).
Ergänzend zur klinischen Untersuchung können apparative Verfahren eingesetzt:
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EEG mit Nulllinie – dokumentiert mindestens 30 Minuten absolute Null-Linie (Hirnstille).
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Hirndurchblutungsnachweis durch Perfusions-Szintigrafie (z. B. Tc‑99m SPECT) oder Doppler‑Sonografie.
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Evozierte Potenziale (SEP, AEP): Fehlen zentral hör- oder taktil bedingter Potenziale.
Die apparative Diagnostik ist insbesondere bei primär infra-tentorieller Hirnschädigung verpflichtend, wird sonst ergänzend eingesetzt.
Wann wird sie durchgeführt?
Die Hirntoddiagnostik wird initiiert, wenn …
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eine schwerwiegende Hirnschädigung eindeutig vorliegt,
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der Patient bereits künstlich beatmet und intensivmedizinisch betreut wird,
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und es absehbar ist, dass keine Behandlung mehr Aussicht auf Besserung hat – etwa vor Beendigung einer intensiven Therapie oder bei Organentnahme.
Außerdem nach:
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Ausfall aller Hirnstammfunktionen und Spontanatmung,
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Stabilisierter klinischer Situation nach adäquater Beobachtungszeit,
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sowie gegebener apparativer Irreversibilitäts-Nachweis – wenn nötig.
Qualifikationsanforderungen
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Die Untersuchung muss durch zwei qualifizierte Ärztinnen/Ärzte erfolgen, darunter mind. ein Neurologe oder Neurochirurg mit spezifischer Intensiverfahrung.
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Bei Kindern bis 14 Jahren ist zusätzlich ein Facharzt für Pädiatrie nötig.
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Protokolle und Dokumentation sind zwingend und über Mindestfristen (z. B. 30 Jahre) archiviert.
Relevanz und Kontext
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Rechtlich ist der Hirntod in Deutschland als Todeskriterium definiert (§ 3 TPG, Richtlinie 2015).
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Ethisch‑politisch sichert die Diagnostik höchste Vertrauenswürdigkeit: Sowohl kirchliche wie wissenschaftliche Stellen bekräftigen, dass bei richtiger Anwendung der Hirntod sicher feststellbar ist.
Zusammenfassende Tabelle
Schritt | Ziel / Inhalt |
---|---|
Voraussetzungen | Schädigungbedingt, andere Ursachen ausgeschlossen |
Klinische Prüfung | Koma, fehlende Reflexe, Apnoe-Test (+ Warteintervall) |
Apparative Diagnose | EEG / Perfusion / evozierte Potenziale bei Bedarf |
Dokumentation | Zwei Ärzte, Protokolle, Archivierung |
Fazit
Die Hirntod-Diagnostik ist ein hoch standardisiertes Verfahren zur rechtssicheren Feststellung des Todes. Sie folgt den strengen Leitlinien der DGN/AWMF/BÄK und beinhaltet drei klare Schritte: Ausschluss reversibler Ursachen, klinischer Nachweis aller Hirnfunktionen und – wenn nötig – apparativer Irreversibilitäts-Beweis. Nur so ist eine verlässliche, ethisch und rechtlich abgesicherte Feststellung des Todes – und gegebenenfalls die Voraussetzung zur Organspende – gewährleistet.
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