Kortikobasale Degeneration (CBD) – Eine seltene neurodegenerative Herausforderung
Was ist die kortikobasale Degeneration?
Die kortikobasale Degeneration (CBD) ist eine seltene, fortschreitende Erkrankung des Gehirns, die zu Bewegungsstörungen und kognitiven Beeinträchtigungen führt. Sie gehört zur Gruppe der sogenannten atypischen Parkinson-Syndrome und wird durch eine Ablagerung des Proteins Tau in bestimmten Gehirnregionen verursacht. Die Erkrankung betrifft sowohl die Großhirnrinde („kortikal“) als auch tiefer gelegene Hirnstrukturen wie die Basalganglien („basal“).
Ursachen und Pathophysiologie
CBD zählt zu den Tauopathien – neurodegenerativen Erkrankungen, die mit pathologischen Veränderungen des Tau-Proteins einhergehen. Im Krankheitsverlauf kommt es zu einer selektiven Atrophie und Funktionsstörung betroffener Hirnareale. Besonders betroffen sind:
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Motorischer Kortex
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Prämotorischer Kortex
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Basalganglien
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Thalamus
Diese Veränderungen führen zu charakteristischen Symptomen auf motorischer, kognitiver und sensorischer Ebene.
Symptome und klinisches Bild
Das Erscheinungsbild der CBD ist heterogen und kann stark variieren. Typischerweise beginnt die Erkrankung asymmetrisch – meist an einer Körperhälfte – und schreitet über mehrere Jahre fort.
Typische Symptome sind:
Motorische Symptome:
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Rigor (Muskelsteifigkeit), oft asymmetrisch
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Akinesie (Bewegungsverlangsamung)
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Myoklonien (plötzliche, unwillkürliche Muskelzuckungen)
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Apraxie (Unfähigkeit zur Ausführung geübter Bewegungen trotz erhaltener Kraft)
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Alien-Limb-Phänomen (Gefühl, dass eine Extremität nicht zum eigenen Körper gehört)
Kognitive Symptome:
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Exekutivfunktionsstörungen
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Sprachstörungen (z. B. nicht-flüssige Agrammatismus-Syndrome)
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Demenz
Sensorische Symptome:
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Kortikale Sensibilitätsstörungen
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Neglect-Phänomene
Diagnostik
Die Diagnose der CBD ist komplex und basiert auf einem klinisch-neurologischen Befund, bildgebenden Verfahren und dem Ausschluss anderer Ursachen. Eine definitive Diagnose ist meist erst post mortem möglich, doch moderne Verfahren helfen bei der Diagnosesicherung:
Bildgebung:
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MRT: zeigt meist eine asymmetrische kortikale Atrophie, besonders im fronto-parietalen Bereich
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FDG-PET: zeigt hypometabole Areale in fronto-parietalen Regionen
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DaTSCAN: kann eine dopaminerge Denervierung nachweisen
Liquordiagnostik:
Wird oft zum Ausschluss anderer neurodegenerativer Erkrankungen (z. B. Alzheimer) eingesetzt.
Neuropsychologische Testung:
Erfassung von kognitiven Defiziten, Apraxie und exekutiven Störungen.
Kriterien:
Die aktuellen diagnostischen Kriterien stammen von der Movement Disorder Society (MDS) und wurden in die deutschen Leitlinien integriert. Es gibt vier klinische CBD-Phänotypen, darunter das klassische CBS (Corticobasal Syndrome) sowie Varianten mit primär progressiver Aphasie oder frontotemporaler Demenz.
Therapie und Verlauf
Leider gibt es bislang keine ursächliche Therapie für die kortikobasale Degeneration. Die Behandlung erfolgt symptomatisch und multidisziplinär.
Medikamentös:
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L-Dopa: kann in Einzelfällen leichte Besserung der Motorik bringen, meist jedoch ohne durchschlagenden Effekt
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Myoklonien: Behandlung mit Clonazepam oder Valproat
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Depressionen/Verhaltensauffälligkeiten: Antidepressiva, ggf. Antipsychotika (mit Vorsicht)
Nicht-medikamentöse Maßnahmen:
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Physiotherapie zur Erhaltung der Mobilität
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Ergotherapie zur Unterstützung bei Alltagsaktivitäten
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Logopädie bei Sprach- und Schluckstörungen
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Psychologische Betreuung für Patient:innen und Angehörige
Verlauf:
Die CBD ist progredient. Die durchschnittliche Lebenserwartung nach Diagnosestellung liegt bei 6–8 Jahren. Im Verlauf kommt es meist zu starker Pflegebedürftigkeit.
Abgrenzung zu anderen Erkrankungen
CBD sollte abgegrenzt werden von:
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Morbus Parkinson
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Multisystematrophie (MSA)
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Progressive supranukleäre Blickparese (PSP)
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Alzheimer-Erkrankung
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Frontotemporale Demenz
Eine exakte Differenzialdiagnose ist essenziell für die Therapieplanung und Prognoseeinschätzung.
Fazit
Die kortikobasale Degeneration ist eine seltene, aber komplexe neurodegenerative Erkrankung, die durch asymmetrische Bewegungsstörungen, Apraxien und kognitive Defizite gekennzeichnet ist. Eine frühzeitige interdisziplinäre Diagnostik und symptomatische Behandlung können die Lebensqualität verbessern, auch wenn es bislang keine Heilung gibt. Für Ärztinnen und Ärzte ist es wichtig, die CBD im differenzialdiagnostischen Spektrum atypischer Parkinson-Syndrome stets zu berücksichtigen.
Literaturverzeichnis
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Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Leitlinie Atypische Parkinson-Syndrome, 2021. Verfügbar unter: https://dgn.org
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AWMF Online. S3-Leitlinie „Idiopathisches Parkinson-Syndrom“ (Langfassung), AWMF-Registernummer 030-010.
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-010.html -
Armstrong MJ et al. Criteria for the diagnosis of corticobasal degeneration. Neurology. 2013;80(5):496–503.
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Höglinger GU et al. Clinical diagnosis of corticobasal degeneration: The importance of accurate phenotyping. Lancet Neurol. 2017;16(7):546–558.
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